Ein Meer aus Plastik – Probleme, Folgen und Lösungsansätze

Am 20.09.2019 hielten die Referenten Dr. Rüdiger Stöhr und Barbara Flügge in der HafenCity Universität Vorträge über die Meeresverschmutzung und ihre Lösungsansätze. Es wurde unter anderem die SeeKuh vorgestellt, aber nicht das Tier, welches in den Ozeanen schwimmt, sondern das Reinigungsschiff des Kieler Vereins One Earth – One Ocean e.V. (https://oneearth-oneocean.com).

In unseren Ozeanen leben die Meeresbewohner unter schweren bis tödlichen Lebensbedingungen, denn täglich werden mehrere Millionen Tonnen Müll ins Meer geworfen, welche sich zu „Müllstrudel“ formen und auch Giftstoffe freisetzen, durch Bewegung zu Mikroplastik werden oder eine tödliche Falle darstellen. Die Tiere verwechseln diesen Müll mit Futter und sterben dann an einem vollen Magen, an inneren Verletzungen oder strangulieren sich in Netzen zu Tode.

Es wurden zwei Experimente zu den Folgewirkungen von Kunststoff vorgestellt, unter anderem ein Experiment mit Muscheln: Es bestand darin, den Einfluss von Mikroplastik auf das Wachstum und den Organismus der Muschel zu testen.

Dafür wurden Miesmuscheln in zwei Kontroll-Gruppen aufgeteilt, die eine Gruppe bekam sauberes, kunststofffreies Wasser und die zweite Gruppe bekam das Wasser, in dem sich Mikroplastik befand. Nach einigen Wochen sah man die ersten Veränderungen an den beiden Kontroll-Gruppen. Die Miesmuscheln aus Gruppe 1 hatten sauberes Fleisch und waren normal groß gewachsen. Die Muscheln aus der zweiten Gruppe hatten vermehrt kleinste Mikroplastik-Teilchen in ihrem Fleisch und waren kaum bis gar nicht gewachsen. Das liegt daran, dass Kunststoff Hormone freisetzt, welche die körpereigenen Hormone blockieren und somit zu Wachstumsstörungen und auch zur Unfruchtbarkeit führen können.

Das zweite Experiment handelte vom Einfärben von Kunststoff mit Indigo. Die Polymere wurden unter verschiedenen PH- und Salinitätswerten mit dem Indigo eingefärbt und auf einer Rotationsplatte gestellt, die die natürliche Verteilung darstellt. Anhand der verschiedenen Werte, unter welchen die Polymere das Indigo aufnehmen sollten, konnte man feststellen, dass bei dem Meereswasser ähnlichsten Wert das meiste Indigo aufgenommen wurde. Dieser Kunststoff ist so dunkel gewesen, dass Tiere ihn leicht im Wasser übersehen und verschlucken. Da der Farbstoff Indigo nicht wasserlöslich ist, hat man versucht, es mit verschiedenen Lösemitteln rauszubekommen – allerdings konnte dies nur mit Aceton geschafft werden. Aceton löst jedoch auch die Verbindungen des Kunststoffes auf und versetzt ihn in seine einzelnen, giftigen Bestandteile. Denn durch Sonne und Wetter wird der Kunststoff in seine Einzelteile zersetzt und gibt seine Giftstoffe frei, die dann auf unseren Tellern landen.

Da wir Menschen nun aber Fisch, Muscheln und andere Meerestiere essen, nehmen wir unseren eigenen Müll in uns auf und verursachen somit unbewusste Schäden in unseren Körpern. Das reicht von hormonellen Veränderungen bis zur „Plastik-Vergiftung“, denn vieles von dem, was jeder bei sich zu Hause hat, gibt unter bestimmten Voraussetzungen wie Hitzeeinfluss oder Abrieb beim Waschen jede Menge an giftigen Bestandteilen ab.

Diese giftigen Polymere kennt man unter den Namen PVC, Bisphenol A, Polycarbonat, PET und viele mehr. Sie können entwicklungsschädigend, krebserregend und auch hormonell schädigend wirken. Wir benutzen viele verschiedene Stoffe jeden Tag und führen uns somit unbewusst Schäden zu, die zu Krankheiten führen können und bei unseren heranwachsenden Kindern erhebliche Probleme in der Gehirnentwicklung verursachen können. Selbst in unserer Kleidung verstecken sich Kunststoffe wie zum Beispiel unter den Namen Polyester, Polyacryl, Nylon und Elastan. Wenn wir unsere Kleidung in die Altkleider-Sammlung werfen, wird zur Vernichtung Feuer eingesetzt. Bei diesem Prozess der Verbrennung gelangen nicht nur die chemischen Substanzen der Kleidung an die Luft, es werden auch noch CO2, CO und unter anderem Säuren freigesetzt, die wir dann in kleinen Mengen durch die Luft zu uns nehmen.

Was wir gegen die unbewusste Selbstvergiftung machen können, erläuterte anschließend Barbara Flügge in ihrem Vortrag.

Zu allererst sollten wir mehr auf richtiges Recyceln achten, denn so gerät schon einmal weniger Kunststoff in die Müllverbrennung. Das ist jedoch nicht alles, denn damit überhaupt weniger in den ewigen Kreislauf kommt, kann man bewusst auf Kunststoffe zum Beispiel beim Lebensmitteleinkauf verzichten und seine eigene Stofftasche mitnehmen anstatt Plastiktüten zu benutzten. Auch gibt es in Deutschland mittlerweile viele Läden, die es anbieten, Lebensmittel in eigene Behälter zu füllen (Zero Waste) oder es einem ermöglichen, die leere Trinkflasche mit Leitungswasser aufzufüllen, letzteres nennt sich Refill Germany.

Viele Menschen kaufen sich unterwegs auch einfach etwas, wie einen Kaffee oder ein belegtes Brötchen, wodurch wir auch wieder unnötig viel Verpackungsmüll verursachen. Dabei kann man morgens seinen Kaffee selber kochen und in eine Thermoskanne füllen. Genauso ist es beim Brötchen, welches wir mit unserem Lieblingsaufstrich beschmieren und in die Brotdose packen können, dabei macht man nicht nur weniger Müll, man kann auch noch sichergehen, dass es einem wirklich schmeckt! Allerdings gibt es nicht nur diese beiden Möglichkeiten, um mehr auf die Umwelt zu achten. Man kann auch mit Schulsachen viel schädliches Plastik verringern, es fängt hierbei bei den Federtaschen an und geht bis zum Radiergummi.

Frau Flügge ging auch ausführlich auf das häufig benutzte Einweg-Geschirr ein, welches oft bei Feiern oder Familienessen benutzt wird. Auch hier kann man Müll einsparen, indem man einfach normales Geschirr benutzt und es dann abwäscht. Des Weiteren sollte jeder selber für sich schauen, wo er zu viel Plastik oder insgesamt Müll produziert, um diesen durch nachhaltigeres Handeln und Stoffe zu ersetzen.

Aus diesem Grund hat der Verein OEOO es sich zur Aufgabe gemacht, eine Lösung zu finden. Sie haben ein Konzept entwickelt, welches als maritime Müllabfuhr bezeichnet wird, mit dem sie den Müll aus dem Meer sammeln und ihn weiterverwerten. Bis jetzt gibt es zwei eingesetzte Schiffe und ein Zukunftsprojekt.

2012 wurde das erste Projekt gestartet und der SeeHamster gebaut. Der SeeHamster ist ein Katamaran von vier Metern Länge und zwei Metern Breite mit einem herunterklappbaren Netz. Er kommt auf Binnengewässern und Flüssen erfolgreich zum Einsatz.

Das zweite größere Projekt „Die SeeKuh“ wurde von 2015 bis 2016 gebaut und erblickte 2017 die Ostsee und 2018 die Gewässer von Hongkong. Die Seekuh ist mit Schrittgeschwindigkeit und einer Größe von 10×12 Metern sowie 0,6m Tiefgang und 2 Meter tiefem Netz besonders fischfreundlich. Zurzeit können bis zu 2 Tonnen Müll pro Fahrt eingesammelt werden und auch Wasseranalysen gemacht werden, um zu sehen wie viel und welche Arten von Polymeren im Wasser vorhanden sind.

Das Müllsammelschiff SeeKuh von One Earth One Ocean e.V. im Sandorthafen der HafenCity im Rahmen der Wetter.Wasser.Waterkant.2019.

Dieses Projekt soll in nächster Zukunft noch weiter ausgebreitet werden mit dem Zukunftsschiff, dem SeeElefanten, der 2021 fertiggestellt werden soll. Der SeeElefant ist ein noch geplantes Schiff, umgebaut von einem Containerschiff in einen Energie-Wandler, der den SeeKühen den Müll abnimmt und an Board zu Treibstoff, Öl und sortenreinen Kunststoffen verarbeitet, welche schließlich selber genutzt oder verkauft werden können. Das dabei eingenommene Geld wird zur Mitfinanzierung des Vereins One Earth – One Ocean e.V verwendet. Da das SeeElefant-Projekt weit über 600.000 Euro kostet, muss es durch Spenden finanziert werden.

Beide Vortragenden haben ausführlich erzählt und sich gut auf die anwesenden Altersstufen eingestellt. Von den vielen Fragen der Zuhörer blieben keine unbeantwortet – Frau Flügge und Herr Stöhr haben ein aktuelles Thema vorgestellt, das viele Jugendliche interessiert. Und sie haben auch deutlich aufgezeigt, was jede/r Einzelne tun kann, um zur Verbesserung der Situation beizutragen. Herr Stöhr ist im Anschluss an seinen Vortrag noch mit interessierten Schülern in den nahe gelegenen Sandtorhafen gegangen, um das Müllsammelschiff SeeKuh anzuschauen – denn während der gesamten Bildungswoche Wetter.Wasser.Waterkant lag es dort und konnte besichtigt werden.

Text: Mareike Kafadar, Hamburg, 26.09.2019